Auslandskorrespondent: es ist der schönste Beruf, der sich denken läßt und es ist einer der schwersten, die man sich vorstellen mag. Uwe Schmitt, der von beidem weiß, legt davon in seinen Berichten aus Japan ein beredtes und oft glanzvolles Zeugnis ab.
Anders als die Kollegen in den heimatlichen Redaktionen entgeht wenigstens in der Regel der Korrespondent im fremden und fernen Land dem Zwang zur Spezialisierung. Zwar können es sich die großen Blätter leisten, in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien, in Frankreich die Aufgaben des politischen und des kulturellen Korrespondenten zu sondern: oft genug zu ihrem und der Leser Schaden. Das war nicht immer so. Es verstand sich von selbst, daß der Vertreter der alten Frankfurter Zeitung nicht nur Monsieur Poincaré auf die Finger schaute und nicht nur in der Lage war, mit Monsieur Briand ein kluges Gespräch zu führen: er mußte genauso imstande sein, das neueste Bühnenstück von Jean Giraudoux vorzustellen und den letzten Roman von François Mauriac zu rezensieren um anderntags eine hübsche Reportage von der Saison in Deauville und einen aufmerksamen Bericht über die Lage der Arbeitslosen zu liefern.
Mit anderen Worten: er war verpflichtet, auf alle Regungen der Existenz zu horchen. Er mußte bemüht sein, das Ganze des fremden Daseins immer von Neuem ins Auge zu fassen. Es war sein Auftrag, mit der Gesellschaft zu leben, so gut es denn anging, um sie von innen her zu begreifen. Er wußte, daß sich das tiefere Verständnis für die Politik des fremden Landes durch seine Bücher, sein Theater, durch seine Filme, seine Bilder und seine Architektur erschließt. Er durfte nicht müde werden, mit stets wacher Neugier in die unterschiedlichsten Bereiche des Daseins einzutauchen. Friedrich Sieburg oder Max von Brück waren in diesem Sinn vorbildliche Korrespondenten.
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Der Korrespondent kann der Einsamkeit und der Isolation nur Herr werden, wenn er es zuwege bringt, das Fremde in eine eigene Welt zu verwandeln. Doch dem Prozeß der Integration sind Grenzen gesetzt. In Japan mögen sie enger sein als irgendwo sonst. Die hart geprägte Eigenart dieses Landes, die so voller Reize ist, schafft Reibungen, die ermüden und mitunter verletzen.
Wer lange Jahrzehnte draußen lebte, wo auch immer, weiß es gut genug (und es ist gilt für Japan erst recht): Keiner entgeht den deprimierenden Augenblicken, in denen die Fremdheit überhand nimmt und die Freundlichkeit des Daseins bedroht.
Nicht jeder bewahrt in diesen Krisen die Grundsympathie für das Andere, die es braucht, um ein guter Korrespondent zu sein: sie sichert nur der Respekt vor eben dem Anderen, dem Fremden, dem Eigenartigen, das sich von Zeit zu Zeit dem Verständnis entzieht. In der Tat muß man auch das lernen: das Fremde fremd sein zu lassen.
Japan kann süchtig machen, schrieb Uwe Schmitt. Er schrieb auch: Japan kann erschöpfen. Doch er fiel niemals aus der Erschöpfung ins Ressentiment, wie es manchen seiner Kollegen widerfuhr. Vielmehr behauptete er bis zum letzten Tag seines Aufenthaltes das schönste Talent, das den Korrespondenten auszeichnet: die Fähigkeit zum Staunen. Ihr dürfen wir uns bei der Lektüre seines Buches getrost überlassen.