Leseprobe aus: Metcalf Will West

Will stand auf dem Wurfmal, wartete mit gespreizt aufgepflanzten Füßen. Die beiden in dickem Kastanienbraun auf den Rücken seiner Bluse genähten Ziffern fühlten sich schwer an. Nummer 19. Quer über seiner Brust befanden sich in kleinerem Kastanienbraun von Achselhöhle zu Schlüsselbein zu Achselhöhle sechs Buchstaben: REBELS. Sein graues Flanelltrikot war kastanienbraun eingefaßt, und schwere kastanienbraune Socken stiegen von seinen Knöcheln hoch bis fast zu den auf seine Waden herunterhängenden Hosenbeinen. Ihm war heiß, er schwitzte unter den vier Reihen Scheinwerfern, unter dem Flanelltrikot, der Baumwollunterwäsche, schwitzte heftig. Seine Füße steckten eng in den schwarzen mit Metalldornen versehenen Schuhen. Aber sein Arm fühlte sich locker und gummiweich an.

„Mach weiter! Mach weiter! Wirf schon!“

Die Menge hatte sich auf ihn eingeschossen. Zwei- oder dreitausend vielleicht. Es gab einige „Indianer“-Rufe. Aber er wartete. Unter dem Schirm seiner Mütze schauten seine Augen ruhig die Spur entlang, den Pfad mit der roten weichen Asche, der von dem Mal durch das Gras des Innenfeldes zur Ausgangsbasis führte. Er wartete bewegungslos und hielt nach dem Zeichen Ausschau.

Der Fänger wartete auch. Stehend, nicht gehockt. Will war in Schwierigkeiten. Der achte Durchgang, ein Lauf schon durch und die Führung verloren. Männer an den Malen. Die Menge, Fans der Heimmannschaft, haute auf die Pauke. Der Fänger stand vor der Ausgangsbasis, schaute sich um, brüllte Befehle ins Innenfeld, seine Maske in der Hand haltend. Er war dick, und der Brustschutz ließ ihn noch dicker aussehen. Er gestikulierte mit der Maske zum ersten Malspieler und dann zum dritten, und sie schlugen in ihre Handschuhe und tänzelten einige Schritte als Antwort auf Befehle, die sie kaum hören konnten. Es war ein gutes Ritual, verzögerte das Spiel, und die Menge liebte es. Ein dicker Fänger kann immer noch als Schauspieler durchkommen, wenn in ihm vom Baseball sonst nichts mehr übriggeblieben ist.

Das war der Busch der Provinz-Liga. Das Spiel war rauh und einfach, nicht automatisiert wie in der Ersten Liga. Diese Jungs hatten Baseball gespielt, seit sie laufen konnten. Gespielt, bis ihre Beine versagten oder bis sie nicht mehr gegen das Übergewicht ankämpfen konnten; bis ihre Arme sich von Gummi in Glas verwandelten. ...

Will stand reglos, wartete. Der Fänger blickte finster über das Innenfeld, drehte sich dann in Richtung des Wurfmals und trat vor. Aber Will kam nicht hinunter, um ihm zu begegnen, deshalb blieb er stehen und wandte sich zurück zur Ausgangsbasis. Der kleine gedrungene Mann in Blau wartete, das Kinn vorgestreckt, die Hände auf dem Rücken ineinandergelegt. Der Fänger ging auf seine Position zurück, und die Menge johlte heiser. Er wandte sein Gesicht Will zu und setzte seine Maske auf. Langsam ließ er sein Gewicht in die Hocke hinunter und hob den unteren Teil des Körperschutzes an. Vor dem grauen Flanell, der eng um seine untere Hälfte lag, senkte er drei Finger und gab das Zeichen.

Will bewegte sich, hob ein Bein, brachte seine Füße zusammen. Die Scheinwerferreihen über dem ersten und dritten Mal fluteten direkt auf ihn hinunter, und er war sich der anderen über der offenen Zuschauertribüne bewußt, die auf seinen Rücken strömten. Sein Gewicht auf einen Fuß verlagernd, fing er an, den lockeren Boden des Wurfmals mit den vorderen Metallbeschlägen am Schuh des anderen zu glätten und neu anzuordnen. Ein langsamer, sanftschuhiger Tanz mit der behandschuhten Hand auf der Hüfte und der Wurfhand, die den Ball locker an seiner Seite hielt; den Kopf gesenkt, seine Figur arrogant-bescheiden und gleichgültig. Ein Steinchen hier, ein Häufchen Schmutz da: bauen, glätten, ebnen. Der Erdhügel, dachte er, umgeben von einem Wald aus Gras, die Spuren durch den Wald und jenseits die heulenden Wilden … Wendungen, Spiralen, Bogen, die Spitze des Schuhs. ...

Sie fangen wieder mit den „Indianer“-Rufen an nicht weil sie etwas gegen mich haben sondern weil das die einfachste Benennung für mich ist denn das bin ich ein Indianer ein Cherokee-Indianer. Smoky nennen sie mich in den Zeitungen teilweise höhnisch weil mein Schnellball nicht besonders schnell ist und teilweise weil ich dorther komme von der Qualla-Grenze dem Cherokee-Reservat im Great Smoky-Gebirge im westlichen North-Carolina. Die Great Smokies wo die Sommer kühl sind nicht heiß wie hier im Flachland ohne die tropische miasmische Hitzewolke die sechs Monate im Jahr niedrig über dem Land hängt die sogar der Ozean nicht auflösen kann die sich bis zur ersten Dünenreihe am Strand erstreckt die Hitze in der ich den ganzen Sommer über lebe um für diese Flachlandstadt zu werfen. Im Unterstand links sitzen die Spieler der Heimmannschaft in ihren weißen Trikots aufgereiht auf der Bank wie Gummipuppen oder Marionetten deren Arme und Beine von oben mit Fäden bewegt werden. Ihre Gesichter vor der steinernen Rückwand sind vor den Scheinwerfern verborgen und genauso rot wie meines und beobachten mich reglos auf mich wartend. Die Haupttribünen sind voll und sogar die Cola-Verkäufer in ihren weißen Mänteln drehen sich um und schauen. Rechts jenseits der Haupttribüne sind die Gesichter der Neger zusammengezogen und von den anderen isoliert. Also muß ich werfen. Männer an den Malen. Die Führung verloren. Und das Zeichen. ...

Will hörte auf, mit dem Fuß den Schmutz zu fegen, und schaute hoch. Seine Augen wanderten die Spur entlang, und der Fänger wiederholte das Zeichen. Drei Finger. Eine langsame weite Kurvenbahn, die sich nach innen neigt, die äußere Ecke schneidet. Die Menge heulte jetzt, viele waren aufgesprungen. Hinter ihm der aufmunternde Sprechgesang des Halbspielers und zweiten Malspielers. Die Finger seiner Wurfhand krümmten sich um den Ball ... aber etwas in ihm wollte nicht beginnen. Wieder senkte er den Kopf, und sein Zeh schnitt kleine Pfade in die Oberfläche des Mals. ...

Weil ich ein Indianer bin und manchmal wenn ich einen Bus besteige fragen sie mich bei welcher Rasse ich sitzen möchte. Smoky Will. Smoky Will West Cherokee-indianischer Werfer. Vollblut aber nicht ganz es gab diesen vorgetäuschten Iren den Schotten der für eine Weile nach Irland gegangen war um dort zu leben und sich schottisch-irisch nennen ließ derjenige der auf einem Segelschiff über das Wasser des Atlantiks kam in Baltimore an Land ging oder vielleicht flußaufwärts in Philadelphia aber wo es auch war sich einen Weg bahnte durch Pennsylvania das noch ein wildes Land war zu den Alleghanies der Appalachenkette kam und den natürlichen Verlauf jener Nordsüdtäler mochte er war ein Bergmensch ein schottischer Hochländer mit zusammengepreßten Lippen einem hageren Gesicht einer Adlernase und wässrigen blauen Augen er kannte die nördlichen Berge die rauhen unnachgiebigen Felsen aber sein Blut brauchte Wärme daher wandte er sich nach Süden. Besorgte sich eine Waschbärmütze und steckte eine Feder daran eine Wildlederjacke und Hosen mit Lederbesatz genau wie ein Indianer ein Gewehr und Pulverhorn und ein Pferd für sein Gepäck die bunten Schmuckstücke und den Schnaps erworben um sie den Indianern gegen Felle zu verkaufen ja das war vor der Umsiedlung und es gab noch Indianer in den Bergen sie waren zurückgedrängt worden aber sie waren noch mächtig dort in den Bergen nur die Indianer und die Händler und die Wilderer. Vielleicht trank er aus dieser Quelle an der Grenze des Indianerlandes die alle Händler für unglückbringend hielten sie sagten wenn du auf deinem Weg hinein aus dieser Quelle trinkst wirst du wochenlang nicht wieder herauskommen du wirst auf eine sagenhafte Sauftour gehen wirst dir ein indianisches Mädchen nehmen oder vielleicht zwei oder drei wirst dich betrinken und dann noch mehr betrinken und einfach betrunken bleiben. Vielleicht trank er aus dieser Quelle. Ich weiß es nicht. Aber auf jeden Fall ging er hinein und blieb dort. Smoky Will West hat diesen Schotten in seinem Blut.

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